Windsbraut by Ursula Isbel-Dotzler

Windsbraut by Ursula Isbel-Dotzler

Autor:Ursula Isbel-Dotzler
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: SAGA Egmont
veröffentlicht: 2018-06-08T00:00:00+00:00


* * *

Es war wirklich verrückt, ja fast unheimlich, wenn ich länger darüber nachdachte; denn woher sollte ich den Küstenweg von Llwyndaffydd nach Aberaeron kennen? Schließlich war ich nie zuvor in meinem Leben in Wales gewesen. Ich konnte nicht aufhören, darüber nachzugrübeln, und nahm mir vor, auf jede Einzelheit zu achten, falls sich mein Traum wiederholen sollte – soweit man sich überhaupt vornehmen kann, sich die Bilder eines Traums im Schlaf einzuprägen.

Doch in den folgenden Nächten blieb der Traum aus. Er entzog sich wie ein Spuk, auf den man wartet, um ihn aufzuklären. Jetzt hätte ich gern mit Jenny über alles gesprochen, aber ihre Gedanken kreisten nur noch um Mervyn, den Wunderbaren, der aus Amerika zurückgekommen war.

Ich fand ihn nett, aber bei weitem nicht so wunderbar, wie ich ihn mir vorgestellt hatte: ein braunhaariger, kräftiger Typ mit blauen Augen und großen Zähnen, der gern lachte. Er duldete Jennys Anbetung, nahm sie jedoch nicht ernst, das merkte ich. Jenny war ihm wohl zu jung. Doch sie hing praktisch nur noch an seinen Rockschößen, verbrachte täglich viele Stunden bei den Gruffydds und schwärmte mir abends im Bett vor, was Mervyn getan und gesagt hatte, bis mir die Ohren summten und die Augen zufielen.

'Ich fürchte, Jenny vernachlässigt dich, seit Mervyn wieder hier ist', sagte Mr Rowland, als wir uns eines Nachmittags zufällig bei einem Spaziergang trafen. Er war allein wie ich, trug sein pfeffer- und salzfarbenes Tweedjackett und einen schottisch karierten Schal, denn der Wind war kühl und trug schon eine Ahnung des kommenden Herbstes mit sich.

Ich erwiderte: 'Das macht nichts. Ich sehe mich auch ganz gern mal allein um. Es ist so schön hier. Ich wollte, ich könnte malen!'

Er sah mich erstaunt an. 'Warum versuchst du’s nicht einfach? Jeder Mensch kann malen. Man sollte nur nicht gleich den Anspruch haben, dass etwas Perfektes, Künstlerisches dabei herauskommen muss.' Er lächelte und ich dachte wieder einmal, dass er wirklich ein anziehender Mann war, viel anziehender, als Mervyn Gruffydd es je sein würde.

'Soll ich dir Farben und einen Malblock besorgen, morgen, wenn ich nach Aberystwyth fahre?', fragte er. 'Oder willst du mitkommen?'

Ich sagte Ja, ich käme gern mit, und wir verabredeten, gleich nach dem Frühstück loszufahren. Ich hoffte, dass auch Jenny dabei sein würde, falls sie ausnahmsweise einmal einen Vormittag lang auf Mervyns Gesellschaft verzichten konnte.

Mr Rowland und ich gingen ein Stück gemeinsam den Hügelpfad entlang, der von den letzten Häusern aufs freie Land führte. Er wollte zum Friedhof, von dem man einen besonders schönen Blick aufs Meer hatte, wie er sagte.

'Ich bin schon als kleiner Junge oft hier gewesen', erzählte er. 'Allerdings nicht wegen der schönen Aussicht. Damals gab’s hier unheimlich viele Wildkaninchen – die gibt es auch heute noch –, und wir haben sie mit Schlingen gefangen, mein Freund Tom und ich. Das war grausam von uns, aber wir wussten es nicht besser.'

Ich folgte ihm durch das Tor, das windschief in den Angeln hing, und zwischen den Grabsteinen immer höher den Hügel hinauf. Viele der Steine waren so verwittert, dass man die Inschriften



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